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RUBENS - Zeitschrift der Ruhr-Universität 82
vom 1. Oktober 2003
http://www.ruhr-uni-bochum.de/rubens/rubens82/20.htm
Leserbrief zu Yilmaz & Wiemeyer
Ich möchte gern zu Ihrem Editorial in der RUBENS vom Juli Stellung nehmen, in dem Sie
Menschen, die gegen zwei bestimmte Ereignisse der letzten Zeit von ihrem demokratischen Recht
des Protestes und der Demonstration Gebrauch gemacht haben, mangelnde Diskussionskultur
unterstellen.
1. Zum Thema Yilmaz:
Sie schreiben sehr richtig, dass die Demonstranten „bewusst“ nicht mit Yilmaz
diskutieren wollen. Auch Proteste und Demonstrationen gehören zur demokratischen Kultur,
nicht nur Diskussionen. Es kann gute Gründe geben, zu entscheiden, dass man in bestimmten
Fällen nicht diskutieren will ...
Unverständlich blieb mir folgende Äußerung: „Es ist in Deutschland
unüblich, dass ein Politiker wie Yilmaz die Seiten wechselt und sich der akademischen
Diskussion stellt.“ Inwiefern hat Herr Yilmaz die Seiten gewechselt? Hat er sich in
irgendeiner Weise selbstkritisch zu seiner Vergangenheit geäußert? Hat er nicht
vielmehr die Protestierenden allesamt als PKK-Sympathisanten bezeichnet? Haben Sie den Eindruck,
dass er mit dieser Äußerung seine Offenheit für eine Diskussion gezeigt hat?
Noch kurz zur akademischen Rektoratsreaktion: Im Falle Yilmaz wurde zugesagt, dass die Proteste
zugelassen würden. Bei der letzten Veranstaltung im IBZ wurden ich und etliche andere
jedoch von der Polizei daran gehindert, uns der Demonstration anzuschließen, angeblich auf
Weisung der Uni. Der Rektor hat aber angeblich gar keine Weisung gegeben. Merkwürdig ...
2. Zum Thema Wiemeyer:
Ich bin der Meinung, dass die Vorschläge von Herrn Wiemeyer einen klaren Verstoß
gegen die Menschenrechte bedeuten, nicht weil er über das Machbare und Bezahlbare in der
Gesundheitsversorgung überhaupt spricht, sondern weil er eine nicht hinnehmbare Einteilung
in „lohnt-sich-noch-Menschen“ und „lohnt-sich-nicht-mehr-Menschen“ macht
... Sie zitieren in Ihrem Editorial einseitig nur so genannte „besonnene“ Stimmen,
die die Äußerungen allenfalls „ungeschickt formuliert“ finden. Ich denke,
ein Theologieprofessor ist ausreichend eloquent, um seine Ansichten zu formulieren. Wie kommt
der Besonnene darauf, dass Herr Wiemeyer nicht genau das meinte, was er sagte? Hat er in der
Zwischenzeit irgendetwas zurück genommen? Das wäre mir dann entgangen. Ich finde, die
Proteste hat sich Herr Wiemeyer redlich verdient. Er hat sich mit seinen Äußerungen
selbst an den „Pranger“ gestellt. Warum ich ihm dafür dankbar sein soll, wird
mir wohl immer verschlossen bleiben ...
Dr. Sabine Bungart
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