Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 27.11.2003
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Protest begleitet Yilmaz bis zum letzten Seminar

Die Gastprofessur des ehemaligen türkischen Ministerpräsidenten Mesut Yilmaz
an der Ruhr-Uni wird im Wintersemester fortgesetzt - allerdings im
reduzierten Rahmen. Das "Bündnis für Menschenrechte" spricht von einem
"verdeckten Rückzug" und kündigt weiteren Protest an.
Anfang April war Mesut Yilmaz als Gastprofessor der Fakultät für
Sozialwissenschaften an der RUB vorgestellt worden. Der Ex-Staatschef der
Türkei sollte im Fach Politikwissenschaften lehren und forschen, und zu
Vorlesungen und Seminaren regelmäßig in Bochum zu Gast sein.
Im aktuellen RUB-Vorlesungsverzeichnis ist nur noch eine Veranstaltung
angegeben. "Die Türkei auf dem Weg nach Europa: Politischer,
wirtschaftlicher und sozialer Wandel (Blockseminar) 2.0 std.", ohne Raum-
und Terminangabe. Unter der Rubrik Dozent/innen taucht auch "Yilmaz, M."
auf. Ein Klick auf den Namen fördert allerdings lediglich "Nähere Angaben
zur ausgewählten Person sind leider nicht frei gegeben" auf den PC.
Für Prof. Gustav Schmidt vom Lehrstuhl für Internationale Politik ist "das
alles ganz selbstverständlich". Besagtes Blockseminar sei der dritte Teil
einer Veranstaltungsreihe mit Yilmaz, "der natürlich in Bochum zu Gast war
und zu Gast sein wird". So gab es Ende Oktober für Lehrende und Studierende
eine von Yilmaz betreute Türkei-Exkursion sowie ein Vorbereitungsseminar.
Das Blockseminar im Januar wird die Reihe - und gleichzeitig Yilmaz´
Gastprofessur - beschließen. Die Termine seien nicht geheim gehalten, aber
auch nicht an die große Glocke gehängt worden, heißt es aus
Studentenkreisen. Dass es im Sommersemester mehr Veranstaltung mit Yilmaz
gegeben habe, sei von vornherein geplant gewesen. Schmidt: "Der terminliche
Ablauf der Gastprofessur stand lange, bevor sich Widerstand rührte, fest."
Der Wissenschaftler räumt gleichwohl ein, dass man vom Protest "überrollt"
worden sei.
Die "Medizinische Flüchtlingshilfe", die den Protest gegen Yilmaz mit
organisiert hatte, setzt dagegen, dass Yilmaz´ reduzierte Präsenz vielmehr
mit dem Ärger zu tun habe, der ihm hier entgegenschlug. Tatsächlich waren
alle seine Auftritte in Bochum von Protesten begleitet, die sich u.a. gegen
die restriktive Kurden-Politik während Yilmaz´ Amtszeit richteten. Eine
Veranstaltung im Haus der Geschichte musste im Juni durch Polizei geschützt
werden. Die Vorwürfe gegen den Politiker und Unternehmer gipfelten in der
Forderung "Anklagebank statt Lehrstuhl" (die WAZ berichtete).

Von J. Boebers-Süßmann