21.5.03, Bochumer Stadt- und Studierenden-Zeitung, Nr.598
http://www.ruhr-uni-bochum.de/bsz/598/artikel.html#2a

 

 

Gastprofessur von Yilmaz, Teil IV
Veranstaltungen unter Polizeischutz

Normalerweise rühmen sich Universitäten mit hochkarätigen
GastprofessorInnen. Dies scheint jedoch bei Mesut Yilmaz gründlich in die
Hose gegangen zu sein. Die ersten Veranstaltungen am Mittwoch im Haus der
Freunde und am Donnerstag im Haus der Geschichte konnten nur unter
Polizeischutz durchgeführt werden.

An einem kritischem Umgang mit der Vergangenheit von Herrn Yilmaz scheint
auch die sozialwissenschaftliche Fakultät kein Interesse zu haben. Auf den
Webseiten findet sich unter Biographisches nur, dass er mehrmals
Premierminister der Türkei war. Vergebens sucht man dort Hinweise über
Verbechen im türkisch-kurdischen Konflikt, die während seiner Amtszeit dort
stattfanden, sowie über mutmaßliche Mafiakontakte, die das Ende seiner
dritten Amtszeit besiegelten.

KritikerInnen werden ausgesperrt

„Es ist deshalb ein großer Erfolg, dass es der RUB gelungen ist,
Ministerpräsident a.D. Mesut Yilmaz als Gastprofessor zu gewinnen“ (O-Ton
Jürgen Gramke, Honnorrarprofessor der Sowi-Fakultät). Kritik an Herrn
Yilmaz soll nun während seiner Veranstaltungen geäußert werden dürfen. Die
Teilnahme an den Gesprächskreisen wird allerdings nur mit vorheriger
Anmeldung möglich sein, bleibt also die Frage, wer da rein darf. Jedenfalls
wird bisheriges kritisches Nachfragen, wie man es von PolitikerInnen
gewohnt ist, ausweichend bis gar nicht beantwortet. Auch wird es keine
Veranstaltung zum Thema Kurdistan geben. Aufgrund der Proteste gegen die
Gastprofessur des Herrn Yilmaz fragte der WDR mal nach. „Das sind
Terroristen, die da demonstrieren, Leute von der PKK. Die Proteste haben
eigentlich nichts mit meiner Person zu tun. Sie sind gegen den türkischen
Staat gerichtet“ (WDR2 Radio, „Der Tag heute“, 14. Mai 2003). Im
Fernsehbericht (WDR, Babylon, 17. Mai) wiederholte Herr Yilmaz nochmal, er
sei Proteste gewohnt, sie richteten sich aber nicht gegen seine Person,
sondern gegen das türkische Volk und den türkischen Staat. Dass sich die
Proteste sehr wohl ausschließlich gegen die Gastprofessur von Yilmaz
richten, weiß dieser sehr gut. Seine Aussagen dienen nur dazu, die
berechtigte Kritik zu delegitimieren und die ProtestlerInnen zu
kriminalisiern. Auf Nachfrage in seiner Veranstaltung gab Herr Yilmaz
immerhin zu, dass es Menschenrechtsverletzungen gab, er jedoch, in seiner
Position als Premierminister der Türkei, über zu wenig Einfluss verfügte,
um diese zu unterbinden.

Der AStA als Teil des Bündnis für Menschenrechte an der RUB fordert, Herrn
Yilmaz unverzüglich auszuladen. Auch wenn sich die Sowi-Fakultät einen
kritischen Dialog erhofft, der anscheinend nach solchen Äußerungen nicht
möglich ist, stellt sich die Frage, was Herr Yilmaz hier den StudentInnen
beibringen soll. Vielleicht ein Seminar in skrupeloser Politik? Warum muss
sich ausgerrechnet diese Universität damit rühmen, einen „Experten für den
Weg der Türkei in die EU“ zu beherbergen, obwohl dieser die
Mitverantwortung für zahlreiche Menschenrechtsverletzungen trägt?
Markus Brüne