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Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum e.V.

Gerechtigkeit heilt –
Der internationale Kampf gegen Straflosigkeit

Internationaler Kongress vom 14. bis 16. Oktober 2005

Foto Astrid Platzmann-ScholtenGrußwort von Astrid Platzmann-Scholten
Bürgermeisterin der Stadt Bochum (Bündnis 90/Die Grünen)

Zum internationalen Kongress „Gerechtigkeit heilt” hier im Bahnhof Langendreer begrüße ich Sie alle im Namen der Stadt Bochum.
Mein besonderer Willkommensgruß gilt den Menschen, die zum Teil weite Wege und Kosten auf sich genommen haben, um hierher zu kommen.

Das Thema, das uns an diesem Wochenende beschäftigt, ist der internationale Kampf gegen die Straflosigkeit. Am 18. Oktober vor fast genau 60 Jahren wurde im Kammergerichtsgebäude in Berlin, dem Sitz des Alliierten Kontrollrates, ein Gerichtsverfahren eröffnet, das weltweit bislang einmalig war. Im Rahmen dieses internationalen Militärtribunals, welches seine Sitzungen dann später in Nürnberg fortsetzte, wurden Nazi-Hauptkriegsverbrecher und verbrecherische Organisationen des Dritten Reiches angeklagt und verurteilt. Die Abrechnung mit dem verbrecherischen Regime war ein Stück weltweiter Gerechtigkeit und eine erste wirkliche Chance für das Werden eines zivilen demokratischen Deutschlands. Nur durch die rechtskräftige Verurteilung der verbrecherischen Horrortaten konnte der Grundstein für den gesellschaftlichen Neuaufbau gelegt werden.

Wir wissen, dass es in allen Teilen der Welt heute noch Kriege, Völkermorde und Menschenrechtsverletzungen gibt. Doch wo ist die konsequente und umfassende rechtliche Missbilligung, Verurteilung sowie Bestrafung durch die Weltgemeinschaft?
Erst in den letzen Jahren sind mit den internationalen Gerichtshöfen Schritte in diese Richtung unternommen worden. Schwerpunkt hier sind derzeit die Verbrechen während des Balkankrieges und der Völkermord in Ruanda, doch dies kann nur ein Anfang sein.
Andere unsägliche Gräuel, ja der Genozid an ganzen Stämmen und Völkern, dürfen keinesfalls ungesühnt bleiben. Erst wenn die Gerechtigkeit überall und ohne Ausnahme zum obersten Gebot wird, werden wir eine reelle Chance auf einen weltweiten Frieden bekommen.

Internationale Gerechtigkeit dient der Prävention und damit der Abschreckung erneuter Gräueltaten ebenso wie der Förderung gesellschaftlicher Umbrüche im Allgemeinen hin zu einer globalen sowie insbesondere zivilen Völkergemeinschaft. Insofern müssen wir alle unser Augenmerk und unsere Anstrengungen nach Kräften darauf richten, dass der mit Gerechtigkeit verbundene Ausgleich zwischen Unrecht und Recht für alle Menschen Gültigkeit findet. Zivilcourage endet nicht bei unseren unmittelbaren Mitmenschen, sie reicht so weit wir erkennen können. Zivilcourage ist in diesem Sinne
grenzenlos!

Zeichen eines solchen Engagement gibt es dabei auf den unterschiedlichsten Ebenen.
Ich denke beispielsweise an das Institut für Diaspora- und Genozidforschung an unserer Ruhr-Universität. Hier werden die Grundlagen für die großen “Völkervernichtungsaktionen” oder, wie es so verharmlosend hieß, der “ethnischen Säuberungen” wissenschaftlich untersucht, um so Strukturen aufzuzeigen, die solche Verbrechen erst ermöglichen.
Wie sehr dabei die Finger in manche offene Wunde gelegt wird, macht für mich u.a. die Reaktion der Türkei auf den Völkermord an den Armeniern zu Beginn des letzten Jahrhunderts deutlich. Ohne hier Stellung beziehen zu wollen, muss es meiner Einschätzung nach stets möglich sein, historische und zeitgenössische Ereignisse ergebnisoffen zu erforschen und zu diskutieren. Denn nur so können wir zu Ergebnissen gelangen, die diese Welt für uns alle friedlicher und lebenswerter macht.

So wichtig die wissenschaftliche Aufarbeitung für die Zukunft ist, darf darüber jedoch nicht das konkrete Engagement für die heutigen Opfer vergessen werden. Dieses Engagement praktiziert die Medizinische Flüchtlingshilfe in vorbildlicher Weise, indem sie kostenlose psychosoziale Beratung und Therapie für Überlebende und Traumatisierte anbietet. Sie leistet damit einen wichtigen Beitrag zur medizinischen Betreuung von Flüchtlingen und füllt eine Lücke in unserem Gesundheitssystem.
Die Medizinische Flüchtlingshilfe hat ihre Arbeit immer schon als Verbindung von allgemeiner Menschenrechtsarbeit mit Prävention und Therapie verstanden. Die Organisierung des internationalen Kongresses “Gerechtigkeit heilt” ist deshalb nur folgerichtig.

Ich danke der Medizinischen Flüchtlingshilfe, dass sie das Thema “Kampf gegen Straflosigkeit” als Teil eines Gesamtprojekts aufgegriffen hat und wünsche dem Kongress fruchtbare Diskussionen und Ergebnisse, die uns allen eine etwas heilere Welt bringen.

Herzlichen Dank.