Presseerklärung, 28.11.2004
"Wer in persischer Erde gräbt,
stößt auch auf die Leichen der Opposition!"
Medizinische Flüchtlingshilfe protestiert während der Ausstellungseröffnung "Persiens
Antike Pracht" im Bergbaumuseum Bochum gegen Repräsentanten der iranischen Regierung
Am heutigen Sonntagmittag hat die Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum während der
Eröffnungsfeier der Ausstellung "Persiens Antike Pracht" im Bochumer Bergbaumuseum gegen die
Anwesenheit hoher Repräsentanten der iranischen Regierung protestiert.
Zu Beginn der Rede des iranischen Vizepräsidenten erhoben sich sechs Mitglieder der
Medizinischen Flüchtlingshilfe Bochum und hielten gut sichtbar Plakate mit Buchstaben über
ihre Köpfe, die das Wort "M-Ö-R-D-E-R" ergaben. Die Medizinische Flüchtlingshilfe,
die bereits im Vorfeld die Ausladung der iranischen Delegation gefordert hatte, unterstrich damit
ihre prinzipielle Auffassung, dass die Einladung von Repräsentanten, die für umfassende
Menschenrechtsverbrechen politisch verantwortlich sind, nicht widerspruchslos hinnehmbar ist.
"Wer in persischer Erde gräbt, stößt auch auf die Leichen der Opposition ... ",
erklärte die Medizinische Flüchtlingshilfe unter Anspielung auf die Zusammenarbeit im
Bergbausektor. Vor ca. 250 ZuhörerInnen hieß es weiter: "... auf die Leichen der
willkürlich Hingerichteten, der Verhafteten und Verschleppten, der Gefolterten und nicht
zuletzt jener Frauen, die wegen Verstößen gegen die frauenverachtenden
Unterdrückungsgesetze öffentlich ausgepeitscht oder gesteinigt werden."
"Ich bin selbst Flüchtling aus dem Iran", erklärte einer der Protestierenden, "und ich
kenne persönlich eine Reihe Freunde, die hingerichtet oder ermordet wurden. Wie kann man mit
einem derart mörderischen Regime Geschäfte machen?" Er verwies auf Berichte von amnesty
international und klagte die Hinrichtung Minderjähriger an.
Ein anderer Sprecher wies auf die Verfolgung von JournalistInnen hin.
Die TeilnehmerInnen der Aktion wurden nach Verlassen des Veranstaltungssaales vorübergehend
festgenommen. Nach ihrer Freilassung schlossen sie sich den vor dem Gebäude Protestierenden
an.
Presseerklärung, 20. November 2004
Todesstrafenrepublik Iran zu Gast in Bochum
Medizinische Flüchtlingshilfe prangert 'Geschäfte auf Kosten der Menschenrechte' an
Anlässlich der Eröffnung der Sonderausstellung "Persiens Antike Pracht" am 28.11.04 im
Bochumer Bergbaumuseum durch Minister Clement, erklärt Kamelia Akhbari Azad, Vorstand der
Medizinischen Flüchtlingshilfe Bochum:
Mit großer Empörung hat die Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum zur Kenntnis
genommen, dass eine Delegation des Iran von Wirtschaftsminister Clement und Oberbürgermeisterin
Scholz empfangen wird. Der Delegation gehören an: der Vizepräsident, der
Vizepräsident der Organisation für das Kulturerbe und Tourismus und der Vizeminister
für wirtschaftliche und internationale Angelegenheiten.
Dass die Delegation in Anwesenheit von Minister Clement und Ex-Wirtschaftsminister Müller im
Bergbaumuseum die Sonderausstellung "Persiens Antike Pracht" eröffnen wird, macht das
menschenrechtsverletzende Regime in Deutschland hoffähig. "Es ist nicht akzeptabel, dass
Menschenrechtsfragen hinter wirtschaftlichen Interessen verschwinden", so Kamelia Akhbari Azad von
der Medizinischen Flüchtlingshilfe. Gleichzeitig wies sie darauf hin, dass das
Delegationsmitglied Hossein Marashi, Vizepräsident des Iran, im Oktober dieses Jahres
verkündete, dass zwei Kunst-Schmuggler zum Tode verurteilt wurden. "Ein Vizepräsident, der
die Todesstrafe verkündet, ist in Deutschland nicht akzeptabel. Wir fordern die
Oberbürgermeisterin und Wirtschaftsminister Clement auf, die Todesstrafe in Iran eindeutig zu
verurteilen und den Besuch der Delegation abzusagen", so Akhbari Azad weiter.
Nach Informationen von Amnesty International wurden in diesem Jahr mehr als 120 Hinrichtungen
dokumentiert.
Die Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebari kritisiert, dass im Iran Mädchen bereits ab 9
und Jungen ab 15 Jahren als volljährig gelten und Opfer der Todesstrafe werden können.
Gleichzeitig verbüßen zahlreiche politische Gefangene nach rechtswidrigen Prozessen oder
gänzlich ohne Anklage lange Freiheitsstrafen. Seit September wurden alleine 25 Journalisten
festgenommen.
Von zahlreichen Gefangenen ist der Aufenthaltsort nicht bekannt. In 2003 wurden mindestens vier
Gefangene zum Tod durch Steinigung, mindestens 197 Personen zu Auspeitschungen und elf zu Amputation
von Fingern und Gliedmaßen verurteilt, wobei die tatsächlichen Zahlen deutlich höher
liegen dürften.
"Vor diesem Hintergrund", so Akhbari Azad, "stellt der Empfang der für diese Verbrechen
politisch Verantwortlichen einen untragbaren Affront gegen iranische Flüchtlinge hier in Bochum
dar."
Presseerklärung, 24.11.2004
Internationaler Tag der Pressefreiheit
Im Iran befinden sich weltweit die zweitmeisten JournalistInnen hinter Gittern
Medizinische Flüchtlingshilfe protestiert gegen iranische Regierungsdelegation
Am heutigen Tag der Pressefreiheit protestiert die Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum
entschieden gegen die geplante Einladung einer Regierungsdelegation aus dem Iran nach Bochum.
Wie bereits in der Presseerklärung vom 20.11.04 ausgeführt, soll am kommenden Sonntag eine
Ausstellung über antike persische Kunst im Bochumer Bergbaumuseum durch eine Delegation hoher
iranischer Repräsentanten eröffnet werden - unter ihnen auch der Vizepräsident des
Iran. Im Iran befinden sich nach Informationen der Organisation „Reporter ohne Grenzen“
derzeit 15 von weltweit 128 inhaftierten JournalistInnen im Gefängnis. Ihr einziges Verbrechen
besteht in der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit.
Unter den Inhaftierten befindet sich auch Reza Alijani, Menschenrechtspreisträger der
Organisation „Reporter ohne Grenzen“, der am 14. Juni 2003 auf offener Straße
festgenommen wurde. Eine offizielle Anklage oder ein Verhandlungstermin existiert bis heute nicht.
Alijani saß mehrere Monate in Einzelhaft und hatte nur ein einziges Mal Kontakt zu einem
Anwalt. Oftmals wurde Alijani in den Jahren zuvor schon verhaftet und gefoltert. Er verbrachte
etliche Jahre im Gefängnis. In einem Land, in dem jede freie Meinungsäußerung
unterdrückt wird, werden seine Forderungen nach Presse- und Meinungsfreiheit systematisch
kriminalisiert.
Vor zwei Wochen meldete amnesty internatonal die Inhaftierung des Journalisten Omid Memariyan, der
derzeit ohne Anklageerhebung an einem unbekannten Ort festgehalten wird und hochgradig
gefährdet ist, misshandelt oder gefoltert zu werden. Er wurde am 10. Oktober 2004 in seinem
Teheraner Büro festgenommen. Einige Tage vor seiner Festnahme sollte Memariyan in New York an
einer Konferenz über die Zivilgesellschaft im Iran teilnehmen, aber trotz eines gültigen
Visums verwehrten ihm die US-Behörden am Flughafen in Frankfurt den Zutritt zum Flugzeug, da
sich sein Name auf einer Liste von Personen befindet, die nicht in die USA fliegen dürfen.
Zu den weiteren Inhaftierten gehören u.a. Fereshteh Ghazi, eine Frauenrechtlerin und
Journalistin der Tageszeitung „E’temad“, die am 28. Oktober 2004 in Haft kam;
Rouzbeh Mir Ebrahimi, der Ex-Redakteur für Außenpolitik von „E’temad“,
der am 27. Oktober inhaftiert wurde; der am 8. September 2004 festgenommene Ex-Journalist Hanif
Mazrouii; der am selben Tag verhaftete Internetjournalist Amir Mojiri; Javad Gholam Tamayomi, der
für die Tageszeitung „Mardomsalari“ schreibt und am 18. Oktober 2004 in Gewahrsam
kam; sowie Shahram Rafihzadeh, Kulturredakteur von „E’temad“ und seit dem 7.
September 2004 in Haft.
Im vergangenen Monat war ein massives Beschneiden der Rechte auf freie Meinungsäußerung
und Vereinigungsfreiheit durch die iranische Justiz zu beobachten. JournalistInnen, insbesondere
jene, die ihre Nachrichten und Aufzeichnungen im Internet verbreiten, sind zum Ziel einer Welle
willkürlicher Festnahmen geworden. Die Zahl der Inhaftierten nimmt stetig zu. Die meisten der
Festgenommenen befinden sich an einem unbekannten Ort in Einzelhaft und haben weder Zugang zu ihren
Familien noch zu einem Rechtsbeistand. Sie sind daher in akuter Gefahr, misshandelt oder gefoltert
zu werden.
Nach Informationen des „Committee to Protect Journalists“ wurden seit 2000 Dutzende
Zeitungen geschlossen. Andere Quellen sprechen von 85 geschlossenen Zeitungen und der
Schließung zahlreicher oppositioneller Internetseiten.
Die Medizinische Flüchtlingshilfe hat in ihrer Arbeit täglich mit Überlebenden aus
den iranischen Gefängnissen zu tun, die Zuflucht in Bochum gefunden haben. Vor dem Hintergrund
dieser Schicksale ist es unerträglich, dass die Stadt Bochum beabsichtigt, den für die
Menschenrechtsverbrechen im Iran Verantwortlichen am
kommenden Sonntag ein Forum zur Selbstinszenierung zu bieten.
Presseerklärung, 26.11.2004
Proteste gegen iranische Regierungsdelegation
Medizinische Flüchtlingshilfe ruft zur Beteiligung an Protesten auf:
Sonntag, den 28.11.2004, um 11.00 Uhr, vor dem Bergbaumuseum
In den vergangenen Tagen hat die Medizinische Flüchtlingshilfe mehrfach öffentlich gegen die Einladung einer iranischen Regierungsdelegation zur Eröffnung der Ausstellung „Persiens antike Pracht“ in Bochum protestiert.
Der Iran ist ein Land, das auf der Liste derjenigen Staaten, in denen Menschenrechte und Menschenwürde systematisch verletzt werden, weit oben rangiert. Die Menschenrechtsverbrechen im Iran geschehen nicht nur mit Billigung der religiösen Machthaber des Landes. Sie sind darüber hinaus in der Rechtsordnung des Iran in einer Weise verankert, die sie zu gezielten und staatlich abgesicherten Verstößen gegen internationale Mindeststandards machen.
Die Menschenrechtsverbrechen des iranischen Regimes umfassen willkürliche Verhaftungen, das
Verschleppen von Gefangenen an unbekannte Aufenthaltsorte, systematische Folter und massenhafte
Hinrichtungen von Oppositionellen.
Jede Form der freien Meinungsäußerung wird durch den sogenannten Wächterrat, den
Geheimdienst „Sawama“, durch Polizei und die Milizen der Revolutionswächter
„Pasdaran“ brutal unterbunden. Zeitungsverbote und die Niederschlagung von studentischen
Protesten sprechen in den vergangenen Jahren eine eindeutige Sprache.
Und es ist nicht zuletzt die weibliche Hälfte der Bevölkerung des Landes, die einer
systematischen und brutalen Beschneidung ihrer Rechte ausgesetzt ist. Schon geringste
Verstöße gegen die Unterdrückungsgesetze, denen Frauen unterliegen, werden mit
Auspeitschung bestraft, zahlreiche Frauen wurden in den letzten Jahren und Jahrzehnten
öffentlich gesteinigt oder gehängt.
Viele Überlebende dieser Verbrechen suchen seit Jahren Schutz und Sicherheit in Deutschland
– auch hier bei uns in Bochum. Der Flüchtlingssozialdienst der Medizinischen
Flüchtlingshilfe berät mittlerweile täglich Opfer aus dem Iran. Nicht wenige
benötigen psychotherapeutische Behandlung aufgrund der traumatischen Erlebnisse, die sie
durchlitten haben.
Die Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum ruft die Bochumer Bevölkerung auf, sich an den Protesten gegen die iranische Regierungsdelegation zu beteiligen, die am Sonntag im Bergbaumuseum von Bundeswirtschaftsminister Clement empfangen wird.
Iranische Flüchtlinge haben für Sonntag, den 28.11.2004, um 11.00 Uhr eine Protestkundgebung vor dem Bergbaumuseum angemeldet.