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Kampagne gegen die Straflosigkeit

Gerechtigkeit heilt

Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum e.V.

VERANSTALTUNGSREIHE
2 . bis 15. Februar 2004

Folter – Trauma – Gerechtigkeit heilt !

Die Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum arbeitet seit Jahren mit Menschen, die schwerste Menschenrechtsverletzungen überlebt haben. Heute wohnen sie als Flüchtlinge im Ruhrgebiet, doch für zahlreiche Menschen schafft die Flucht an diesen neuen Ort nicht die erwünschte Erlösung. Das Erlittene reist mit ihnen und in ihnen.
Wie können Menschen nach Folter und Repression weiterleben? Nachdem sie selbst, Verwandte oder FreundInnen verhaftet und gefoltert wurden? Wie schaffen es Menschen, wieder zu leben? Und wer hilft ihnen? Sie sich selbst? Ihre Familie, Nachbarn oder Freunde? Die Gruppe, Gemeinde oder Organisation? Traditionelle Heiler? Oder professionelle Helfer? Und was hilft ihnen dabei? Einzel- oder Gruppentherapie? Experimentelle Spielräume? Die offizielle Anerkennung ihres Leids? Die „Wiedergutmachung“, die Entschädigung? Die Bestrafung der Täter? Die Verschaffung einer Aufenthaltsgenehmigung, eine gesicherte ökonomische Existenz?
Im Spannungsfeld all dieser Fragen spielt sich die psychosoziale Arbeit mit Flüchtlingen ab. Als sozialmedizinische Menschenrechtsorganisation arbeitet die Medizinische Flüchtlingshilfe daher niemals allein medizinisch, psychologisch oder ausschließlich politisch, sondern sie hat stets jedes dieser Felder gleichzeitig im Auge.
Die Veranstaltungsreihe „Folter – Trauma – Gerechtigkeit heilt!“ soll die unterschiedlichen Aspekte dieser Arbeit beleuchten und der Forderung nach einem Bochumer Therapiezentrum für Überlebende von Folter und Krieg Nachdruck verleihen.

Das Programm

Do 05. – Mi 11.02.2004, 18:00 Uhr, endstation.kino:

„Junta“ (Spielfilm)

Arg / I 1999, R: Marco Bechis. B: Marco Bechis, Lara Fremder. Mit: Antonella Costa, Carlos Echeverría, Dominique Sanda. 98 Min OmU
Buenos Aires zurzeit der Militärdiktatur: Die Studentin María wird von der Geheimpolizei in eine stillgelegte Autowerkstatt verschleppt. Dort trifft sie auf Felix, ihren verschlossenen und in sie verliebten Mitbewohner: er ist der „Verhör“-Spezialist. Während sich daraus eine kaum vorstellbare Beziehung aus Macht, Zuneigung, Folter und Überlebenswillen entwickelt, versucht Marías Mutter mit allen Mitteln, ihre Tochter zu finden. Marías Spur endet über dem Meer; sie teilt das Schicksal von ca. 30.000 „Verschwundenen“ während der Diktatur. Die Rahmenhandlung zu „Junta“ ist eine wahre Geschichte.
Der Film wird bis zum 11.02.2004 täglich gezeigt.



Do 05.02.2004, 20:00 Uhr, Raum 6:

Esteban Cuya: „Gerechtigkeit heilt – Der Kampf gegen Straflosigkeit in Argentinien“

Esteban Cuya vom Nürnberger Menschenrechtszentrum wird über den Kampf gegen Straflosigkeit von Menschenrechtsverbrechen in Argentinien informieren. Noch heute wird von Menschenrechtsorganisationen und Anwaltsvereinigungen ebenso, wie von breiten Teilen der Öffentlichkeit, mit großem Trickreichtum, einem hohen Maß an Akribie und einem langen Atem versucht, die Schicksale der Diktaturopfer aufzuklären, Überlebende zu rehabilitieren und die Täter vor Gericht zu stellen. Hierzulande meist unbekannt ist die Tatsache, dass unter den Verschwundenen und Ermordeten der argentinischen Diktatur auch etwa hundert Deutsche waren, um deren Überleben sich die damalige Regierung der Bundesrepublik nicht scherte. Heute klagen die Angehörigen dieser Opfer vor deutschen Gerichten gegen die Generäle und Folterknechte. Das Nürnberger Menschenrechtszentrum hat diese Anklagen durch seine Unterstützung überhaupt erst möglich gemacht.


Di 10.02.2004, 20:00 Uhr, Raum 6:

Hans Keilson: „Sequentielle Traumatisierung“

Der seit seiner Flucht vor dem deutschen Faschismus in den Niederlanden lebende jüdische Arzt, Psychoanalytiker und Schriftsteller Hans Keilson prägte 1979 die Sichtweise, „Trauma“ nicht länger als ein einzelnes Ereignis, sondern als Abfolge traumatischer Sequenzen unterschiedlichen Charakters und unterschiedlicher Bedeutung zu interpretieren. Dabei ist für die individuellen Folgen nicht nur entscheidend, was initial erlebt wurde, sondern was auf das traumatische Ereignis selbst folgte. Das Trauma wird darüber zum Produkt eines über Jahre hinweg andauernden politischen, sozialen und individuellen Prozesses, der auch die kommenden Generationen noch erfassen kann.

Für Flüchtlinge enden Traumatisierungsprozesse nicht mit Kriegsende, Haftentlassung oder dem gelungenen Versuch, die Kriegs- oder Krisenregion zu verlassen. Daher arbeitet auch die Medizinische Flüchtlingshilfe mit Keilsons Konzept, Trauma als psychosozialen Prozess wahrzunehmen. Die Überlebenssituation von Flüchtlingen in der Bundesrepublik Deutschland bedeutet für den traumatischen Prozess eine Institutionalisierung der Ohnmachtssituation. Menschenunwürdige Unterbringungsbedingungen, Arbeitsverbot, nahezu fehlende soziale Unterstützung und ein auf Notfallversorgung beschränkter medizinischer Behandlungsanspruch, unsichere Aufenthaltsbedingungen, gekoppelt an die permanente Bedrohung, abgeschoben zu werden, und Ausgrenzungspraktiken – durch staatliche Behörden ebenso wie durch das abwehrende und abweisende gesellschaftliche Umfeld – verursachen, beschleunigen oder begünstigen die Entstehung traumatischer Symptome oder verhindern systematisch jede Aussicht auf Besserung.
Nach seiner Zeit im niederländischen Widerstand gründete Hans Keilson die jüdische Waisenorganisation „Le Ezrat Ha Jeled“. Er gilt als einer der Pioniere der Traumatherapie.


Mo 02.02. – So 15.02.2004, täglich ab 18.00 Uhr, endstation.kinocafé:

Ausstellung „Nicht die Erde hat sie verschluckt“

Die Veranstaltungen werden durch eine Fotoausstellung des Nürnberger Menschenrechtszentrums begleitet, die den Kampf gegen Straflosigkeit dokumentiert. Die Ausstellung „Nicht die Erde hat sie verschluckt“ widmet sich der internationalen Strafgerichtsbarkeit gegen Menschenrechtsverbrechen am Beispiel der deutschen Verschwundenen in Argentinien während der Militärdiktatur von 1976 bis 1983. Einige dieser Fälle wurden in Deutschland zur Anzeige gebracht. Neben Hintergrundinformationen zur politischen Lage nach dem Militärputsch wird auf die psychosozialen Konsequenzen der Straflosigkeit von Menschenrechtsverbrechen eingegangen.


VeranstalterInnen:
Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum e.V. und Nord-Süd-Büro im
Bahnhof Langendreer in Zusammenarbeit mit endstation.kino;
unterstützt aus GfG-Mitteln durch die Bochum Agenda 21.

Veranstaltungsort:
Bahnhof Langendreer Bochum – Zentrum für Soziokultur,
Wallbaumweg 108, 44894 Bochum
Wegbeschreibung/Anfahrt


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